Unterschied in den Farben – und es gibt viele weitere Differenzierungsmöglichkeiten
Was ist ein Unterschied?
Ein Unterschied ist die wahrnehmbare, messbare und beschreibbare Differenz zwischen zwei beschreibbaren Zuständen oder Phänomenen. Unterschiede sind selten singulärer Natur. Zwei Hosen mit unterschiedlicher Farbe können sich zum Zeitpunkt des direkten Vergleichs nicht am selben Ort befinden. Zwei unterschiedlich laute Geräusche lassen Unterschiede bei ihrer Erzeugung vermuten und unterscheiden sich in ihrer Wirkung auf jene, die sie wahrnehmen.
Unterschiede werden von Beobachtern erlebt
Es kommt bei der Beschreibung von Unterschieden stets auf einen Beobachter und die Position des Beobachters an. Hier beginnt schon ein Dilemma. Man braucht zwei Beobachter, um mit der Beschreibung eines Unterschiedes mindestens zwei verschiedene Möglichkeiten der Beschreibung zu sehen. Denn schon durch die Beobachterpositionen ergeben sich von alleine Unterschiede. Während der eine Beobachter einer Versuchsanordnung eine bestimmte Erwartung an eine Entwicklung oder einen Verlauf haben kann, die entweder bestätigt oder enttäuscht wird, kann im Unterschied dazu ein anderer Beobachter weniger den Versuch selbst zum Gegenstand seiner Beobachtung machen als vielmehr die Stubenfliege, die sich im Raum befindet.
Auch die Beschreibung eines Unterschiedes kann unterschiedlich sein
Ein dem Unterschied immanentes Phänomen ist die Tatsache, dass es meistens unterschiedliche Bewertungen einer Differenz oder Verschiedenartigkeit gibt. Zudem ist es möglich, dass niemand etwas bemerkt, wenn sich etwas verändert – womöglich bemerkt es nur die Person selbst, in der sich eine Veränderung vollzieht. Hier sind wir bei einem Phänomen angelangt, das uns in der systemischen Beratung häufig begegnet. Die Rede ist vom Lösungsversuch, der nur auf einer Seite der Versuchsanordnung etwas verändert.
Welche Klassen von Unterschieden gibt es?
Unterschiede können in Unterschiedsklassen eingeteilt werden. Zu diesen könnten etwa zählen:
- Physikalische Unterschiede: Zeit, Raum, Thermodynamik, Akustik
- Soziale Unterschiede: Ökonomie, Soziologie, Verhalten, Staatsform
- Zeitliche Unterschiede: Historie, Planung
Dieser Textabschnitt ist in schwarzer Farbe hinterlegt, der vorherige und der folgende haben einen weißen Hintergrund. Hinzu kommen zahlreiche Unterschiede hinsichtlich der anzutreffenden Buchstaben, die Wörter bilden, welche sich zu Sätzen zusammenfügen, die für einen Menschen mit deutschen Sprachkenntnissen einen Sinn ergeben können – während sie für eine Person ohne Deutschkenntnisse nur eine Ansammlung von Kontrasten im Vergleich zum Hintergrund sind.
Wofür sind Unterschiede wichtig?
Nur durch die Unterschiedlichkeit von Eigenschaften und Phänomenen sind Verständigung und Orientierung möglich. Würden die Buchstaben, aus denen sich dieser Text zusammensetzt, farblich nicht unterschiedlich zum Hintergrund sein, könnten Ihre Augen den Text nicht erfassen. Unterschied ist daher ein Teil von Information – bzw. Information ist eine Funktion von Unterschiedlichkeit.
Wofür benötigen wir die Unterschiedsbildung in der Beratung und Supervision?
Unterschiedsbildung geschieht bereits in der Phase der Auftragsklärung. Ein Unternehmen, ein Team, ein Klient – jemand stellt fest, an der aktuellen Lage müsse eine Veränderung vollzogen werden. In der Regel liefern Problembeschreibungen gute Hinweise auf zwei Arten von Unterschieden:
- Im einem ersten Schritt unterscheiden Menschen zwischen dem, was sie erwarten – und dem, was sie vorfinden. Sie definieren diese Differenz als Problem.
Erwartung = Einigkeit > beschriebenes Phänomen: „Ständig streiten wir uns“ - Im zweiten Schritt stellen Sie fest, was zu ändern wäre. Hier versuchen sie, den Unterschied zwischen ihrer Erwartung und den vorgefundenen Tatsachen bzw. Phänomenen zu entfernen. Sie definieren die Differenz zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand als Postulat (Forderung).
Aus Streit sollen Einigkeit, Stimmigkeit und Kooperation werden.
Im Spannungsfeld der Abweichungen bei Ist-Soll-Vergleichen beginnt unsere Arbeit als Supervisoren und Mediatoren.
In der systemischen Beratung und Supervision geht es vor allem darum, zwischen Berater, Klient (je nach Kontext auch Klienten-Umfeld) einen Konsens bezüglich eines aktuell realisierbaren Unterschiedes zu erzielen – und eine Verabredung zu treffen, wann die relevanten Systembeteiligten darin übereinstimmen werden, dass der Unterschied im Vergleich zu vorher erzielt wurde.
Beispiel für eine gelungene Veränderung im Arbeitsablauf eines Unternehmens
In einem Unternehmen kam der Außendienstmitarbeiter nicht mehr damit nach, die beim Kundenbesuch gesammelten Informationen von Visitenkarten und Gesprächsnotizen in angemessener Frist ins System des Unternehmens zu übertragen.
Unrealistischer Versuch der Unterschiedsbildung
Der Mitarbeiter wird unter Androhung einer Abmahnung dazu verpflichtet, künftig alle Kundenkontakte notfalls noch mitten in der Nacht seiner Ankunft von der Geschäftsreise ins System zu übertragen. Es leuchtet ein, dass dies nicht zu einer gedeihlichen Zusammenarbeit führen kann.
Unterschiedsbildung, die funktionieren kann
Der Mitarbeiter entscheidet sich im Unterschied zu früher, seinen Abteilungsleiter um Entlastung zu bitten. Er bekommt Unterstützung von einer Assistentin, die Einsicht in seinen Terminkalender hat und am Tag nach einer Reise zu ihm geht, die Informationen aus den Kundenkontakten abholt und ins System überträgt.
Der Unterschied besteht hier aus einer Veränderung des Kontextes, das heißt: In der Arbeitsumgebung des Außendienstmitarbeiters liegen nun andersartige Routineabläufe vor, die im Gegensatz zu vorher ein anderes Arbeitsergebnis sichtbar werden lassen.
Ausgerechnet dadurch, dass der Mitarbeiter nicht mehr arbeitet als vorher, sondern eine Aufgabe weniger zu erfüllen hat, entsteht ein besseres Arbeitsergebnis.
Wie lassen sich Unterschiede testen, bevor sie hergestellt werden?
Nehmen wir an, ein junger Teamleiter könnte überraschend die Abteilungsleitung und damit Verantwortung für alle Teams übernehmen. Er will gemeinsam mit uns herausfinden, ob diese Entscheidung zu seiner aktuellen Lebenssituation passt.
Zunächst liegt es nahe, hier die Faktoren Gehaltserhöhung, Entscheidungsmöglichkeiten und Karriere zu betrachten. Würde sich der Blick aber nur auf darauf richten, wäre die Entscheidung schnell getroffen – womöglich etwas zu schnell.
Hier spielen parallel mehrere Unterschiede eine Rolle, die ihrerseits zu Veränderungen führen.
Höheres Gehalt, höhere Lebensansprüche, größere Wohnung / Haus, höhere Kosten, weniger Nachtschlaf, mehr Überstunden, weniger Zeit für die Familie, mehr „Absacker“ am Abend, um sich vermeintlich Entspannung einzuschenken …
Der hilfreiche Unterschied hier: die zweite Beobachter-Perspektive
Soll der Teamleiter die Beförderung annehmen oder nicht?
Entscheidend ist es, sich hier vorab in möglichst allen Bereichen umzusehen, in denen sich nach dem ersten Unterschied (höhere Stellung im Unternehmen) Folgeunterschiede (anderes Stress-Level, veränderte Beziehungen zu derzeitigen Kollegen) entwickeln werden.
Wir stellen die Frage nach den anzunehmenden Auswirkungen einer Veränderung. So wird klar, wie groß ein Unterschied zu einem bestimmten Zeitpunkt sein darf, damit er zu einer positiven Veränderung führt.
So arbeiten wir mit Unterschieden
Durch Unterschiede erhöht sich die Anzahl der Wahlmöglichkeiten, z. B. hier bei der Auswahl zwischen Präsenzberatung und Online-Supervision.
Wir nutzen einen Erfahrungswert aus der Kurzzeitberatung auch in der Supervision.
Kleine Unterschiede können eine große Wirkung haben. Oft führt eine kleine Veränderung an einem zu großen Ziel zum Durchbruch.