Tourette-Syndrom: Diagnosenamen können starke Wirkungen entfalten
Wurde bei Ihnen das Tourette-Syndrom diagnostiziert?
Was haben Sie dabei empfunden, als Sie davon erfuhren?
Haben Sie sich ermutigt gefühlt, einen guten Weg zu finden – oder haben Sie resigniert?
Viele Menschen fügen sich in ein vermeintliches Krankheits-Schicksal. Dabei ist das „Tourette-Syndrom“ die Erfindung eines Arztes, der im Jahr 1904 starb. Dr. Tourette konnte von der modernen Hirnforschung nichts wissen, und doch gilt seine „Entdeckung“ heute immer noch als tonangebend in der psychiatrischen Theorie und Praxis.
Tourette-Syndrom: Was wäre, wenn es z.B. „vorüberziehende Phänomensammlung“ hieße?
Dr. Tourette hat mit dem nach ihm benannten Tourette-Syndrom offensichtlich von neun Patienten auf die gesamte Menschheit geschlossen. Wer eine Besonderheit wie einen sogenannten Tic präsentiert und dazu noch eine ausreichende Zahl weiterer imponierender Phänomene, „hat“ nach Ansicht vieler Experten das Tourette-Syndrom. Wer dann im Internet nach „Was ist das Tourette-Syndrom?“ oder „Ist das Tourette-Syndrom heilbar?“ sucht, findet überwiegend Hinweise darauf, bei dieser „Krankheit“ könne man nichts machen.
Wie wäre es, wenn es anders weiterginge mit dem sogenannten Tourette-Syndrom?
Angenommen, das sogenannte Tourette-Syndrom würde nicht weiterhin als „unheilbar“ bezeichnet, sondern als in Details durchaus veränderbar beschrieben: Dann könnten sich „Tourette-Patienten“ ein anderes Leben vorstellen – und einrichten.
Tourette-Syndrom: Fragen, im Internet gefundene Antworten und Fragen zu diesen Antworten
Wikipedia schreibt zum Thema Tourette-Syndrom, das Gilles-de-la-Tourette-Syndrom (kurz: Tourette-Syndrom) sei eine nach dem französischen Arzt Georges Gilles de la Tourette benannte neuropsychiatrische Erkrankung. Es folgen Beschreibungen von Auffälligkeiten, die für das Tourette-Syndrom typisch seien: So steht bei Wikipedia zu lesen, „diese Krankheit” gehe mit Tics als Leitsymptom einher.
Tourette erfand das Tourette-Syndrom im 19. Jahrhundert
Georges Albert Édouard Brutus Gilles de la Tourette soll ab 1884 eine Studie an neun (9) Patienten mit kompulsiven Tics durchführt haben. Aufgrund seiner Beobachtungen entstand das Krankheitsbild „Tourette-Syndrom”. Das „Tourette-Syndrom” wird im ICD-10 bei den Verhaltensstörungen und den emotionalen Störungen geführt. Der DSM-5 (s. hierzu Allen Frances, Normal) bezeichnet Menschen, die Tics präsentieren, sogar als „gestört in der Entwicklung ihres Nervensystems.” Dies kann durchaus als Diffamierung bezeichnet werden, auch als Unsinn.
Wollte man es bei diesem so ernsthaft präsentierten „Wissen” bewenden lassen, so wären die Perspektiven für Menschen mit der Diagnose Tourette-Syndrom denkbar ungünstig. Wer „etwas hat”, das als schwer oder nicht behandelbar bezeichnet wird, der wird nicht viel unternehmen, um seine Lage zu verändern.
Warum hält sich immer noch das Gerücht vom unheilbaren Tourette-Syndrom?
In der Welt der Psychiatrie ist es nicht vorgesehen, lange geglaubte und praktizierte Pathologiekonzepte in Frage zu stellen und zu bekennen: Da haben wir uns getäuscht, da sind wir heute weiter.
Was ist das Tourette-Syndrom wirklich?
Als Tourette-Syndrom werden Phänomene bezeichnet. Manche Menschen führen ungeplante, unwillkürliche Bewegungen aus, äußern sich ungewollt verbal oder über Laute. Das ist die Beschreibung für das, was man als Tourette-Syndrom bezeichnet, auf der phänomenologischen Ebene. Werden Phänomene aber in ein Krankheitskonzept gezwungen, so entsteht Druck. Unter Druck kann sich nichts lösen. Druck bewirkt zusätzlichen Druck und kann einen Kreislauf aus Gedanken und Handlungen eskalieren lassen.
Was bewirkt der Diagnosename „Tourette-Syndrom“?
Welche Vorstellung entwickelt ein Mensch von sich, der von einem Arzt hört „Sie haben das Tourette-Syndrom“? Wird sich dieser Mensch damit befassen, mit seinen Phänomenen zu arbeiten, sie nach und nach zu verändern? Oder wird jemand, der die Diagnose Tourette-Syndrom hört, gegen die Phänomene ankämpfen und irgendwann resignieren? Die Resignation in einem natürlicherweise unsinnigen Kampf führt zur Verstärkung der Phänomene und zum Leidensdruck.
Was wäre, wenn Tourette z.B. Milton Erickson getroffen hätte?
Das Wissen des Dr. Tourette war auf dem Stand des 19. Jahrhunderts, in dem er lebte. Ärzte wie Dr. Milton Erickson haben aber nach der Erfindung des Tourette-Syndroms Erfahrungen publiziert, die später von der modernen Hirnforschung bestätigt wurden. Neuroplastizität (die Fähigkeit des Gehirns, bestehende Strukturen zu verändern) beweist das Gegenteil dessen, was sich aus der damaligen Psychiatrie hartnäckig bis heute hält. Man kann nicht erfolgreich gegen ein unwillkürliches Phänomen – sei es ein unwillkürliches Zucken, eine Lautäußerung oder der Drang, eine Handlung auszuführen, ankämpfen. Je mehr man gegen etwas ankämpft, desto mehr verstärkt man es.
Nicht gegen ein Phänomen arbeiten – immer mit ihm
Unwillkürlich auftretende Phänomene sind immer schneller als es die Absicht, diese zu verhindern, jemals sein könnte. Deshalb ist das wirksame Mittel der Wahl – ob bei sogenannten Zwängen oder Tics – immer die Ergänzung der Phänomene um Gedanken oder Handlungen, mit denen sie in ihrer Wirkung verändert werden … bis sie keine Rolle mehr spielen. Bis ein Phänomen – also eine sogenannte Zwangsstörung oder Zwangshandlung oder ein Tic – in den Hintergrund getreten ist und verschwindet, braucht es zweierlei: etwas Geduld und jede Menge Zuversicht.
Im Supervisionszentrum arbeiten die Klienten mit ihren Phänomenen – und verändern diese
In der Ergänzung von Phänomenen, die z.B. als zwanghaft fehlinterpretiert werden, liegt der Schlüssel zur Veränderung. Die geltende Lehrmeinung ist immer noch, es gebe Zwangshandlungen. Der Irrtum in dieser Ansicht wird deutlich, sobald den Klienten ein anderes Konzept angeboten wird: Sogenannte Zwangshandlungen sind Ergebnisse von Ordnungssystemen*, in denen sich Klienten aus bestimmten Gründen eingerichtet haben. Wird das Muster eines Ordnungssystems sichtbar, kann es in Details verändert werden. Mit dem Ordnungssystem ändern sich dann auch die Phänomene – genauso unwillkürlich und von alleine, wie sie aufgetreten waren.
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* Zu solchen Ordnungssystemen kann z.B. die Idee zählen, man sollte diese oder jene Handlung ausführen, damit dieses oder jenes geschehe oder nicht geschehe. Derartige Ordnungssysteme können sich besonders in solchen Situationen etablieren und später manifestieren, wenn gewünschte Ordnungen (Sicherheit, Klarheit, Übersicht, Eindeutigkeit) entweder plötzlich wegfallen oder noch nie erkennbar waren.