Autor: Johannes Faupel
Systemischer Therapeut und Berater SG, IGST
Veröffentlichungsdatum: 18. Mai 2021
Das Sender-Empfänger-Modell (auch: Shannon-Weaver-Modell) aus der Kommunikationswissenschaft veranschaulicht den Austausch von Informationen. Dieser Artikel aus dem Mai 2021 zeigt Ihnen das Sender-Empfänger-Modell aus einer zusätzlichen Perspektive. Der Empfänger als interpretierende Instanz.
Zwischenmenschliche Kommunikation ist die erfolgreiche Interaktion von zwei und mehr Individuen durch angemessene verbale Kommunikation und nonverbale Kommunikation. Ziel von Kommunikation ist der Informationsaustausch von Sendung einer Botschaft und Empfangsbestätigung des Inhaltes der Botschaft.
Wer hat das gesagt? Wer hat das falsch verstanden? Das Shannon-Weaver-Modell zur Entschlüsselung und zur Vermeidung von Missverständnissen
Inhaltsverzeichnis
Böse Absicht ist selten im Spiel. Kommunikationsdefizite entstehen oft unbewusst
Standen Sie auch schon einmal fassungslos da?
Weil Sie etwas gesagt haben, es aber ganz anders beim Gegenüber angekommen ist?
Solche Situationen erleben jede Sekunde weltweit Millionen Menschen.
Ich werfe einen Papierflieger mit einer Notiz – doch mein Gegenüber fühlt sich von einer Kanonenkugel getroffen.
Erfahrung J. Faupel, Zentrum für Systemische Supervision Frankfurt
Wir leben in einer schnellen Zeit – oft zu schnell für erfolgreichen Informationsaustausch
- Alles soll heute effizient sein.
- Auch die Dialoge.
- Aufmerksamkeit ist eine knappe Ressource.
Sender-Empfänger-Modell mit Ergänzung des Interpretierers
Beim Sender-Empfänger-Modell ging es Shannon und Weaver in den 1940er Jahren ursprünglich um die Kommunikation am Telefon. Bald aber erkannte auch die Kommunikationswissenschaft dieses Kommunikationsmodell für sich: Stuart Hall (Kodieren / Dekodieren und das Verstehen von Massenkommunikations- und Rezeptionsprozessen) und Paul Watzlawick (5 pragmatische Axiome der Kommunikation) sind zwei der prominenten Kommunikationswissenschaftler, die das Prinzip des Sender-Empfänger-Modells zu nutzen wussten.
Die 7 Verneinungen von Konrad Lorenz und Paul Watzlawick
Konrad Lorenz und Paul Watzlawick haben sinngemäß gleichermaßen diese Tatsachen festgestellt:
- Gedacht ist nicht gesagt
- Gesagt ist nicht gehört
- Gehört ist nicht verstanden
- Verstanden ist nicht gekonnt
- Gekonnt ist nicht gewollt
- Gewollt ist nicht angewandt
- Angewandt ist nicht beibehalten
Was ist problematisch an Kommunikation?
Meinungsverschiedenheiten, Ansichtssachen und Missverständnisse: Blockaden zwischenmenschlicher Kommunikation
Rein äußerlich können Menschen den Eindruck der Übereinstimmung in einem Sachverhalt erwecken. Tatsächlich aber könne die Unterschiede zwischen zwei Individuen oft sehr groß sein. Herkunft und Sozialisierung spielen eine Rolle, das Wertverständnis und die Fähigkeit zur Abstraktion und zur Selbstschau.
Ein erheblicher Negativfaktor ist die Hektik unserer Zeit.
Der Mensch verkürzt seine Kommunikation und verliert den Sinn
Der Mensch will schneller mit der Kommunikation fertig sein – und kommt nicht an seine Kommunikationsziele.
Das Entwickeln und das Senden von Informationen werden minimiert
- Schnell dahingesagt.
- Schnell hingetippt.
- Kurze Sprachnachricht.
Das Empfangen wird oberflächlich
- Das Zuhören wird minimiert.
- Hinsehen findet kaum noch statt.
- Texte werden nur noch überflogen.
Der entscheidende Informationsgehalt geht oft zwischen Sender und Empfänger verloren – der Adressat ergänzt (konfabuliert) aus seinem Erfahrungs-Pool
Es ist kein Wunder, wenn der intendierte (beabsichtigte) Informationsgehalt auf der Strecke bleibt.
Oft werden auf der Empfängerseite Artefakte von eigenen Informationen unbewusst ergänzt.
Solche Artefakte stammen aus Situationen mit ähnlichem Kontext und werden vom Gehirn autonom zu den empfangenen Informationen hinzugefügt.
Eine Vergewisserung findet nicht statt:
Statt „Was ist bei Ihnen angekommen?“ gibt es schnelles Kopfnicken – und dann Kopfschütteln
Synaptisches Bahnen und die Erwartungserwartungen
Ein gut funktionierendes Gehirn arbeitet effizient. Es bedient sich neuronaler Muster, die schon vorhanden sind.
Natürlich ist es gut, ein gesundes Gehirn zu haben. Aber es reicht nicht für gelingende Kommunikation.
Beispiele:
- Hatte jemand bereits bestimmte Erfahrungen mit einer Person, so wird diese Person in der Erwartung „immer so handeln wie bisher“ – ganz gleich, was sie wirklich unternimmt.
- Wenn beim Bedienen einer Apparatur immer derselbe Effekt auftritt, hält der Bediener kaum einen anderen Effekt (Output) für wahrscheinlich – er wird ihn auch nicht suchen (Handbuch-Mangel-Phänomen / Phenomenon of the Lack-of-Manual)
- Für die Kommunikation heißt das: Kommunikationsmuster werden vom Gehirn als starke Muster repetitiv aktiviert. Sie laufen unbewusst und beeinflussen bzw. hemmen das bewusste Denken.
Erweiterter Ansatz: Zu jeder Kommunikation zwischen zwei Personen gehören drei Seiten
Warum drei Seiten, wenn doch nur zwei Personen Informationen austauschen?
- Beispiel: Ein Mensch (der Sender) weiß, was er gerade mitteilen will, etwa: „Ich werde jetzt gehen.“
- Der Empfänger dieser Nachricht kann diese Information als Ankündigung eines Ereignisses (Person geht) aufnehmen und neutral verarbeiten.
- Es kann aber beim Empfänger auch eine weitere Instanz eine Rolle spielen: etwa eine innere Seite, die schon oft mit Verlust oder mit einem niedrigen Selbstwertgefühl zu tun hatte. Die rationale Seite empfängt eine sachliche Ankündigung. Ergänzt wird diese Aussage um einen hochemotionalen Faktor: „Diese Person lässt mich zurück, weil ….“
- Der Sender verwendet für seine Nachricht den Code seiner Sprache. Zu seiner Sprache gehören neben seiner Sprechweise auch seine Mimik, seine Gestik und die verwendeten sprachlichen Bilder.
Im ungünstigen Fall entschlüsselt der Empfänger die Nachricht nicht.
Statt sie zu decodieren, codiert er sie in seiner eigenen Weise um und stellt fest: Es wurde etwas anderes gesagt!
Er verwendet seine eigene Sprache (mit anderen Vorerfahrungen) und erhält ein anderes Ergebnis als das, was vom Sender erwünscht war.
Mit anderen Worten: Der Empfänger interpretiert etwas anderes in den ihm angebotenen Code.
Kommunikation: so wird sie einfacher
Bisher dachte man:
Um eine Nachricht weiterzureichen, nutzt der Sender einen sprachlichen Code, der vom Empfänger entschlüsselt wird. Der Empfänger liefert dem Sender ein Feedback in Form einer impliziten oder expliziten Antwort. Ziel eines Kommunikationsprozesses auf Senderseite wäre es also, den Inhalt der Nachricht durch den Empfänger korrekt erkennen und interpretieren zu lassen. Möglich wäre dies nur bei identischem Code bei Sender und Empfänger.
Tatsächlich stimmt:
Keine zwei Menschen verfügen über den identischen Sprachcode.
Es ist also stets eine Vergewisserung erforderlich, ob und wie ein Signal angekommen ist und wie es verarbeitet wurde.
Ziel des Kommunikationsprozesses: Sender und Empfänger erzielen im Rückblick Einigkeit über den Inhalt der Nachricht
Außer dem geschriebenen und gesprochenen Wort spielen die Funktionen aller Kommunikationsformate eine Rolle.
- Körpersprache – Mimik, Gestik
- Paraverbale Kommunikation – Stimmlage, Artikulation, Sprechtempo, Lautstärke
- Feedback-Auswertung – welche Rückmeldungen lassen sich beobachten?
Wie Sie schnell herausfinden, ob Ihr Gegenüber das erhalten hat, was Sie senden wollten:
Achten Sie auf die Signale des Körpers: Blick, Mimik, Gestik
Beobachten Sie die Reaktion nach Ihrer Äußerung.
Fragen Sie, was verstanden wurde:
Es ist mir ein persönliches Anliegen, dass Sie mich richtig verstehen. Wie ist bei Ihnen angekommen, was ich Ihnen eben mitgeteilt habe?
Wollen Sie für sich, für Ihr Team oder Ihre Organisation das Sender-Empfänger-Modell konstruktiv nutzen?
Wir trainieren mit Ihnen gelingende Kommunikation. In Zeitlupe. Nehmen Sie Kontakt auf.