Das Resilienz-Risiko
Dieser Text ist Auszug aus „Burnout-Prävention und -Intervention im Marketing – Anleitung zu innerer Change-Kommunikation, freundlichen Selbstbriefings und gesunder Erschöpfung“. Mehr darüber auf der Seite burnoutfachbuch.de
Erklärungen zur Resilienz gibt es viele. Alle sind auf ein Grundmodell zurückzu- führen: Der Begriff Resilienz stammt aus der Werkstofflehre, hört und liest man allenthalben. Er beschreibt im Sinne seines lateinischen Ursprungs resilire (zurückspringen) die Eigenschaft eines Werkstoffes, von alleine die ursprüngliche Form wiedereinzunehmen. Ein natürlicher Rohstoff, der Resilienz aufweist, ist beispielsweise der Bambus.
So populär der Begriff Resilienz auch ist: Bei der Übertragung des Werkstoffbegriffes Resilienz auf die Psyche des Menschen ist – wie bei vielen Entlehnungen aus anderen Fachgebieten – ein Denkfehler enthalten. Ein auf triviale Weise auf den Menschen angewandtes Resilienzkonzept im Sinne von „Was uns nicht umbringt, macht uns hart“ ist eine unzulässige Verdinglichung des Menschen, wie sie sich auch in dem Begriff „Human Resources“ andeutet.
Wie keiner zweimal in denselben Fluss steigen kann, wird auch niemand nach einer erheblichen Belastungssituation dieselbe Person sein. Das würde schließlich bedeuten, die Person hätte diese Belastung zwar erlebt bzw. erlitten, aber keine Lehre aus ihr gezogen und auch keine Narbe behalten.
Ein Roboter kann im Sinne der Werkstofflehre resilient sein. Stößt er beim Verrichten programmierter Wege und Arbeitsschritte gegen ein Hindernis, verformt sich seine entsprechend gestaltete Außenhülle elastisch und nimmt nach dem Kon- takt mit dem Hindernis die Ursprungsform wieder ein. Im Laborversuch könnte man den Roboter tausende Male gegen dasselbe Hindernis stoßen lassen; eine Erfahrung würde er dennoch nicht machen. Er würde – es sei denn mit Künstlicher Intelligenz – nichts aus seinen Kollisionen mit Hindernissen lernen können, weil ihm dazu die Fähigkeit zur Einsicht (von lat. intellegere, einsehen) fehlt. Auch ein Gummiball, den Sie kneten, verhält sich den Gesetzen der Resilienz entsprechend. Genau dieses Verfahren ist es, was die Übertragung der Resilienz auf den Men- schen zur Höchstleistungsfalle werden lässt. Das generalisierte Stehaufmännchenprinzip ist die Blaupause für das Burnout-Syndrom. Da die Werkstoffresilienz bei totem Material zu beobachten ist, kann sie sinnvollerweise höchstens bis zur Ebene der Reflexe auf den Menschen übertragen werden. Wo Menschen leben, muss die natürliche Intelligenz befragt werden.